Eine Machtverschiebung


Trotz der Vielfalt der Akteure und widersprüchlicher Interessen des deutschen Energiemarkts, schaffte es die Bundesregierung, einige Ziele der Energiewende plangemäß voranzutreiben. Laut des Umweltbundesamts, ist der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen der erfolgreichste Parameter der Energiewende mit 31,7 Prozent des Gesamtstromverbrauchs.

Eine Vielfalt von staatlichen Akteuren und gewerblichen Konzernen operieren in diesem Bereich. Mit der Liberalisierung der Stromerzeugung in der 90er Jahren ist die Anzahl der Akteure deutlich gestiegen. Weshalb werden auch die Bürger und ihre Ausgabemöglichkeiten aus der Sicht der politischen Teilnehmer als Akteure der Energiewende betrachtet.

Auf kommunaler Ebene werden mehrere erneuerbare Energieprojekte untergenommen. Auch verschuldete Kommunen können Finanzmittel des Bunds oder der EU erhalten, und daher eine entscheidende Rolle in der Energiewende spielen. Mit neuen technologischen und legalen Horizonten bietet die Energiewende neue finanzielle Möglichkeit für Verbände und Gemeinden.

Bürger, NGOs und Unternehmen spielen eine immer wichtigere Rolle in politischen Prozessen den letzten Jahrzehnte. Darüber hinaus haben Gemeinden "das Recht...  alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln" (Gewährleistung der kommunalen Selbstverwaltung, Art. 28 Abs. 2 GG). Diese Garantie der Selbstverwaltung führt zu gewissem Handlungsspielraum in Deutschland, während in anderen Ländern, zum Beispiel in Großbritannien, Gemeinden in diesen Belangen rechtlich gesehen deutlich von der Zentralregierung beschränkt werden. Die Liberalisierung des Energiemarktes hat den kommunalen Handlungsspielraum stark dadurch beeinflusst, dass lokale Beseitigung von Versorgungsmonopolen, einschließlich der Einrichtung kommunaler Stadtwerke, mehr Behandlungsraum ermöglicht. Mehrere Kommunen deutschlandweit haben eigene Energieziele gesetzt und damit dazu beitragen, ein zuverlässiges Umfeld für Investoren zu schaffen. Einige dieser Ziele beziehen sich auf einen zukünftigen Anteil erneuerbarer Energien an der lokalen Energieverteilung. Kommunale Verwaltungen können beispielsweise ihren Einfluss auf verschiedene Handlungen der Stadt ausüben. Einige Beispiele dafür sind: Landflächenutzung für Energieerzeugung, Energieeinsparsregulierung, Mülltrennung und Einkauf von erneuerbarem Strom für Stadtverkehr und öffentliche Gebäude als höhere Priorität.  Kommunale Stadtwerke können weiterhin erneuerbare Energieinfrastruktur kaufen oder selber einrichten.

Aufgrund der Veränderung der technologischen, politischen und wirtschaftlichen Systemstruktur, welche die Energiewende in sich verbirgt, kann die Energiewende aus einer politischen Sicht als ein Regime- oder Systemwechsel betrachtet werden. Der Übergang zwischen zentraler, konventioneller Stromerzeugung und den dezentral verteilten EE (erneuerbare Energien) ist aus dieser Ansicht eine Machtverschiebung de facto von Großunternehmen zu einer Reihe von kleineren privaten und gewerblichen Akteuren. Diese Machtverschiebung kann als eine fortgeschrittene Phase der Demokratisierung betrachtet werden, als die Fähigkeit für Energieherstellung an den Bürger verteilt wird.

Die Geschichte eines Wandels

Das System der Stromerzeugung kann in drei Bereiche geteilt werden:

●       Technologische Aspekte: Energieerzeugung, Übertragung und Verbrauch

●       Politische Struktur: Institutionen, Politik und der öffentliche Diskurs

●       Wirtschaftsstruktur: wirtschaftliche Akteure und ihre Beziehungen

Das konventionelle fossil-atomare Energiesystem war von der Nachkriegszeit bis in die 90er Jahre ein stabiles Stromsversorgungssystem. Auf der technologischen Ebene wurde Strom vor allem von Kernkraft und fossilen Brennstoffen in einer zentralisierten Art erzeugt und an eine Vielzahl von Verbrauchern verteilt. Auf der politischen Ebene subventionierte und unterstützte der Staat die konventionelle Stromerzeugung über die gesamte Wertschöpfungskette. Im öffentlichen Diskurs waren Versorgungssicherheit und Erschwinglichkeit die zentralen Ziele des Energiesystems. Auf wirtschaftlicher Ebene teilten sich vier große Versorger den größten Teil des deutschen Energiemarkts. Jeder der "großen vier" verfügte über seine eigenen Verteilungsnetze, verhinderte durch die regionale Trennung der Netze effektiv den Wettbewerb und unterstützte im Allgemeinen eine sehr unbewegliche Marktstruktur. Das fossil-nukleare Versorgungsystem war für mehrere Jahrzehnte sehr robust, da die technologischen, politischen und wirtschaftlichen Strukturen sich gegenseitig verstärkten.

Nachdem die Umweltbewegung zu einem zentralen Akteur in der deutschen Politik geworden war, wurden 1991 in Rahmen der Erneuerbare-Energien-Gesetze einige Pro-EE-Richtlinien eingeleitet und deutlich im Jahr 2000 erweitert. Diese Unterstützung für EE zog technologische Verbesserungen und zunehmend dezentrale Energieerzeugung nach sich. Der EE Anteil an Stromerzeugung stieg von 4% in 1996 auf 20% im Jahr 2011 und auf 30% in 2015. Zusätzlich führt die Liberalisierung des Strommarkts innerhalb der Europäischen Union zu mündigen, emanzipierten Verbrauchern und zwingt Produzenten, Stromproduktion und -transport zu entflechten. Folglich wuchs die Wettbewerbsfähigkeit und ein positiver technisch-wirtschaftlicher Feedback-Zyklus ; damit sank auch der Einfluss der großen Energiekonzerne. Der Atomausstieg und die Energiewende in ihrer heutigen Form wurden im Jahr 2000 eingeleitet, aber wurden nach der Atomkatastrophe von Fokushima nochmals stärker von der Bundesregierung vorangetrieben.

Das fossil-nukleare System unterscheidet sich wesentlich vom EE-System. Das Erste wird durch Produktion in großem Umfang und konzentriertes Eigentum gekennzeichnet - und von einer Reihe von Gesetzen und Geschäftsregelungen unterstützt. Die zweite wird durch eine dezentrale Technologie und Wirtschaftsstruktur gekennzeichnet und eine alternative, nachhaltigkeitsorientierte Gesetzgebung und Anhänger unterstützt. In Bayern beispielweise lag der Anteil an EE Strom im Jahr 2014 bereits über  36%. Dort hat die traditionell regierende CSU ein bottom-up Umdenken erlebt, als Bürger den Übergang zu erneuerbarem Energiequellen förderten.

Dezentrale, kleine Energieproduktion von privaten Haushalten oder lokalen und regionalen Genossenschaften verändern wesentlich die Energiemarktstruktur, dadurch bedrohen sie das Oligopol der fossil-nuklearen Brennstoffe. Im Gegensatz zu konventionellen Energiequellen, befindet sich EE in Deutschland überwiegend im Besitz neuer Akteure, die früher nicht in der Energieproduktion engagiert waren.  Eine Studie von Trend-research von 2012 zeigt, dass knapp 35% der EE-Leistung von Privatpersonen genutzt wurde. Landwirte, Banken, Kleinunternehmer und Gewerbe besitzen weiteren Anteil von 53% und die “große vier” verfügen über weniger als 5% der EE Kapazität.  Somit wurde das wirtschaftspolitische Feedback des fossil-nuklearen Regimes geschwächt. Andere Neuerungen wie Einspeisevergütung des selbsterzeugten Stroms haben diesen Prozess weitergeführt.

Nicht nur große Energiekonzerne üben ihren Einfluss auf die Regierung durch Lobbyismus aus, auch die erneuerbaren Energieerzeuger sind dabei. Während in der Vergangenheit SPD und Grüne die meisten relevanten Spenden erhielten, können heute alle Parteien aus dem Sektor Spenden erhalten, da Koalitionen sich regelmäßig ändern können. Insbesondere hat die Solarbranche mehrere Parteien in den letzten Jahren finanziell unterstützt. Die politischen Entscheidungsträger bevorzugen Unternehmen, die eine ganzheitliche Sicht auf das Energiesystem propagieren.

Vorrausetzungen für die Energiewende

Ein wichtiger Faktor für einen Systemwechsel ist die Einführung von neuen Akteuren oder Veränderung der existierenden Machtverhältnisse zwischen den am Markt Beteiligten.

Der Erfolg der Energiewende lässt sich nicht mit einem Faktor erklären. Ohne die Entwicklung von kosteneffizienten Wind- und Solaranlagen wären die Ideale der Nachhaltigkeit sowie die politischen Ziele der Energiewende nicht realisierbar. Ohne die Umweltschutzbewegung und den politischen Willen wurde die Entwicklung von umweltfreundlicher Energieerzeugung allerdings vernachlässigt. Auch wirtschaftlich ist die Energiewende ohne die Formulierung von neuen Akteuren und Denkmustern unvorstellbar. Zusätzlich hat die Verankerung von EE in der Gesetzgebung zu ihrer schnellen Verbreitung beigetragen. Weitere Merkmale für eine vollständige Systemveränderung sind institutionelle Änderungen in Form von Forschungs- und Entwicklungspolitik, Entstehung neuer Märkte, Eintritt von Unternehmen neue Nischen und eine Anhänger- oder Lobby-Basis.

Allerdings bei höherer Bürgerbeteiligung ist ein Netzausbau unvermeidlich. Um die in ihrer Verfügbarkeit schwankenden erneuerbaren Energien in die deutsche Strominfrastruktur zu integrieren, müssen die Stromnetze zum Teil ausgebaut werden. Ein Grund dafür ist der Bedarf, Strom aus “windstarken Gebieten im Norden über weite Strecken zu Verbrauchern im Süden und Westen” zu transportieren. Anderer Grund ist der Adaptierungsbedarf an schwankenden lokalisierten Energiequellen. Dieser Netzausbau hängt nicht mehr von den großen vier Energieversorgern, sondern von mehreren Akteuren ab und muss nun von der Bundesregierung koordiniert werden. Um den Bauprozess zu zentralisieren und zu beschleunigen, nimmt sich der Bund die Regulierungskompetenzen von den Bundesländern.

Fazit und Zusammenfassung

Erneuerbare Energien zahlreicher dezentralisierter Anlagen wachsen in Deutschland, wobei die gewünschte erneuerbare Stromquote erreicht wird. Auch die Bezahlbarkeit der künftigen Stromversorgung ist ein zentrales Ziel der Bundesregierung. Die Energiewende ist zwar vom Staat gesteuert aber ihr Verlauf ist von den Interessen aller Beteiligten abhängig. Daher ist die Kontinuität der Energiewende über mehrere Legislaturperioden bemerkenswert.
Innovationen spielen oft die entscheidende Rolle bei der Veränderung von Märkten. 3-D Druck z.B. hat das Potenzial, die gesamte Herstellungsindustrie zu “liberalisieren” und die Herstellungsfähigkeit an jeden Bürger zu geben.  Photovoltaikmodule und Windkraftanlagen haben das bei der Stromerzeugung bereits ermöglicht.

Um ein System zusammenzuhalten, sollen technologische-, politische- und Wirtschaftsstrukturen einander gegenseitig unterstützen und verstärken. Dezentrale erneuerbare Stromerzeugung hat für sich bereits als ein solches System in Deutschland etabliert. Sie befindet sich in kontinuierlicher Wachstums- und Übergangsphase. In der Branche der erneuerbaren Energien wurde ein positiver Feedback-Zyklus festgelegt.  Die Ziele der Energiewende, die technologischen Fähigkeiten der Industrie, die Lobby für erneuerbare Energien und die Bürgerakzeptanz verstärken sich gegenseitig.

Die Potenzialatlas für erneuerbare Energien der Agentur für erneuerbare Energie stellt eine sehr optimistische Prognose, für die Weiterentwicklung des deutsche Energiemarkts dar. Die  Branche für erneuerbare Energien prognostiziert einen Anteil von 47 Prozent regenerativem Strom an dem gesamten Strommix in Deutschland bis 2020. Die Strompreisentwicklung soll daher mehr von der Energiepolitik und weniger von schwankenden Preisen von fossilen Rohstoffen abhängen. Diese positive Entwicklung hängt allerdings stark davon ab, ob die Weiterentwicklung neuer Stromspeicherkapazitäten auf lokalen und regionalen Ebenen vorangetrieben wird, sowie dem  Ausbau der Stromnetze.

 

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